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Veröffentlicht: 14. November 2019
"Namaste aus dem Reisefieber"
Heute führt uns unser Reisefieber in ein ganz besonders Land zu einem ganz besonderen Fest ...
Es gibt Traditionen, die nicht tot zu kriegen sind. Ganz besonders, wenn damit Privilegien einhergehen,
die normalerweise undenkbar wären.
Oder weniger kompliziert formuliert: Wenn man durch diese, ungestraft, mal richtig die Sau rauslassen darf.
Nach diesem Prinzip richtet sich nicht nur unser heimischer Fasching - auch im fernen Indien gibt es ein Fest dieser Art.
Aber statt Guadl fliegen den Besuchern kiloweise farbiges Pulver um die Ohren. Freund und Feind begrüßen sich mit „Räudiger Taschendieb“ oder „Lahmender Sohn eines Esels“, und wenn man nicht aufpasst, trifft einen eine Gurke, oder mit Glück eine Aubergine (die ist weicher).
Die Inder legen jede verfügbare Rupie bei Seite, um sich an diesen Tagen Farbe kaufen zu können. Genauer gesagt "Gulal", so nennen sie das farbige Pulver. Es gibt was zu feiern.
Ganz Indien ist auf den Beinen, denn es gilt, das alte Leben auf null zu stellen. Die Lasten des Alltages, die großen und kleinen Probleme des zurückliegenden Jahres und vor allem Feindschaften zu tilgen. Denn Holi, so wird das Fest genannt, ist ein befreiendes Umkehrritual, bei dem alle gesellschaftlichen Normen und Moralvorstellungen unabhängig von Alter, Geschlecht und Kaste für ein paar turbulente Tage aufgehoben sind. Mit Holi, dem ursprünglich ältesten Ernte- und Fruchtbarkeitsfest der Welt, zelebrieren die Inder ein hinduistisches Ritual: Den Sieg des Frühlings über den Winter. Die Botschaft vom Triumph des Guten über das Böse.
Je nach Region und auch Kondition geht Holi bis zu 10 Tage. Alle Menschen gehen auf die Straßen – sie ziehen in die Farb-Schlacht, um Dampf abzulassen. Denn jeder darf seinen Nachbarn oder wen immer es trifft, alles, sagen was einem das ganze Jahr auf der Zunge gelegen hat. Von Volldepp bis hin zu Rechtschreibüberprüfungsprogramm-Benutzer ... alles muss raus! Dann lacht man.
Schließlich ist der Druck weg, alte Streitigkeiten vergessen und soziale Gräben überwunden.
Bei uns in Deutschland würde man sagen: Wir machen den Weg frei.
Der freie Weg beginnt mit Freudenfeuern am Abend vor dem ersten Feiertag. Es wird eine Strohfigur verbrannt, eine symbolische Handlung an der Dämonin Holika, von der das Fest seinen Namen hat. Aber das führt zu weit in die Mythologie – jetzt geht’s los, die Farben die für den Frühling stehen ziehen auf.
Da trifft den ersten Inder ein Puderschwall. Pink, die indische Farbe der Gastfreundschaft, hüllt ihn in eine rosarote Wolke des Glücks.
Der Wolken kommen noch viele. Von allen Seiten. Ein Farbgewitter unvorstellbaren Ausmaßes. Blau und gelb und rot und türkis und violett und orange und grün und purpur und indigo.
Und wenn sie nicht gestorben sind, werfen sie immer noch.
Fotos ©IStock